Muttertag – ein kritischer Rückblick in das Jahr 1923. Gastbeitrag von Katharina Schulze

Muttertag – ein kritischer Rückblick in das Jahr 1923. Gastbeitrag von Katharina Schulze

Diesen Sonntag ist Muttertag. Ein Feiertag, der mit gemischten Gefühlen betrachtet werden kann, weil es einerseits wunderbar und wohl auch wichtig ist, den Menschen, die uns nahe stehen – darunter unseren Müttern – zu sagen, wie sehr wir sie lieben und schätzen, andererseits ist es ein Tag, der ähnlich dem Valentinstag mit Blick auf maximale Gewinnabschöpfung von manchen Industrien und Handelszweigen arg gehyped wird. Auch werden manche Kinder anlässlich dieses Tages mitunter eigenartigen Anforderungen ausgesetzt, wenn sie ihre Liebe zu ihrer Mama plötzlich termingerecht mit einer vorgegebenen Bastelaktion ausdrücken sollen, die ihnen vielleicht gar nicht liegt…

Ihr seht schon, ich fände Kritikpunkte und die Wurzeln mancher dieser Kritikpunkte können in der Geschichte des Feiertages gesucht werden.

Die Kulturhistorikerin Katharina Schulze hat sich im Zuge ihrer Masterarbeit mit dem Titel “Die „Neue Frau“? Frauenbilder in der Zeitschrift Reigen. Magazin für galante Kunst” mit dem Wandel von Frauenbildern in den 1920er Jahren beschäftigt und ist dabei u. a. darauf gestoßen, dass gerade im Jahr 1923 der Muttertag als Feiertag in Deutschland eingeführt wurde. Den Abschnitt ihrer Arbeit, der sich mit diesem Umstand befasst, hat sie mir hier freundlich gestattet zu veröffentlichen. Ich danke ihr für diesen spannenden Einblick in die Geschichte unserer Frauen- und Mutterbilder und besonders für ihre historisch-kritische Einordnung derselben!

Viel Spaß beim Lesen und Nachdenken!

 

 

Die Einführung des Muttertags in den Goldenen Zwanzigern. Ein Wiederspruch?

von Katharina Schulze

 

Die Weimarer Republik ist eng verknüpft mit dem Bild der Neuen Frau, modern, aktiv, unabhängig.

Die Entwicklung dieses Bildes nahm zwar bereits in den Jahrzehnten des Deutschen Kaiserreichs ihren Anfang, erhielt aber durch die gesellschaftlichen Veränderungen und die Aufbruchsstimmung nach dem Krieg enormen Aufwind. Nun bot sich Raum zur Verhandlung neuer Frauenbilder.

Gleichzeitig wurden Stimmen laut, die genau diese Entwicklungen sehr kritisch beäugten und ihrerseits ein anderes Frauenbild im Kopf hatten. Dieses war eng verknüpft mit der Rolle der Frau als Mutter und damit zugeschriebenen Eigenschaften von Frauen, die deren ganzen Alltag durchzogen.

Wohlfahrtsmarke “Mutter mit Kind”. Design: Bert Jäger. Offsetdruck. Erstausgabetag: 1. Oktober 1956.

Ein prägnantes Beispiel ist der auch heute vielmals zelebrierte Muttertag, der 1923 ausgerechnet in den Wilden Zwanzigern eingeführt wurde. An diesem Tag sollte die Familie der Mutter danken, die still und unermüdlich ihre Arbeiten verrichtet und immer bereit ist, die Bedürfnisse der Familienmitglieder zu befriedigen. Es wurde versucht, Frauen die Kinder hatten, eine Würdigung zu schaffen und sie für ihre Arbeit und Leistung anzuerkennen.

Obwohl auf den ersten Blick ein Ehrentag, wurde so eigentlich die Ausbeutung der Frauen legitimiert, die sie nach diesem einen Tag im Jahr wieder erwarten würde. Obschon ihre Arbeit als wichtig präsentiert wurde, wurde nie erwogen sie dafür zu entlohnen. Zudem wurde politisch ein Zeichen gesetzt, dass einem traditionellen Frauenbild Tribut zollte und eine Rückbesinnung im Gegensatz zu diversen Entwicklungen im Geschlechterverhältnis und Familienleben forderte. Zu diesen Entwicklungen zählten neben neuen Frauenbildern auch ein Aufbrechen der bisherigen Vaterrolle, neue Eheansätze, Berufstätigkeit von Frauen und Sexualaufklärung. Zudem wurden gerade aus linken Kreisen immer wieder gefordert die Kinderzahl in der Arbeiterschaft zu reduzieren, um das Elend des Proletariats zu lindern.

Im Gegensatz dazu stand die Angst konservativer Kräfte vor tatsächlich sinkenden Geburtenraten; ein Trend, der bereits im 19. Jahrhundert bei Teilen der deutschen Bevölkerung zu beobachten war. Die vermeintliche Schuld wurde oben genannten Tendenzen gegeben. Besonders ins Blickfeld der Kritik geriet die ledige Frau, gehäuft auftretend in den Großstädten, die sich nicht in der Rolle der Ehefrau und Mutter auslebte und auf die oft gleich mehrere der neuen Entwicklungen zutrafen.

Auch rechtlich waren Frauen, und damit auch die vielen Mütter unter ihnen, in vielen Bereichen schlechter gestellt. Trotz vieler Neuerungen wie dem Wahlrecht spielte gerade im Familienleben die weibliche Natur und deren Unterordnung durch den Mann weiterhin eine große Rolle. So wurde durch den Artikel 109.2 des BGB die Abhängigkeit der Frau im Ehe– und Familienrecht festgeschrieben. Die politische Gleichberechtigung meinte also nicht Gleichheit, sondern gleiche Wichtigkeit für den Staat und dieser Dienst für den Staat wurde bei Frauen weiterhin vor allem über Mutterschaft definiert.

Im Nazionalsozialismus wurde die Festschreibung Frau gleich Mutter extrem vorangetrieben und auch dem Muttertag kam neben anderen Auszeichnungen für (Vielfach-) Mütter eine gesteigerte Bedeutung zu.

 

Literatur:
Cantó, Patricia Gozalbez: Fotografische Inszenierung von Weiblichkeit. Massenmediale und künstlerische Frauenbilder der 1920er und 1930er Jahre in Deutschland und Spanien, transcript Verlag, Bielefeld 2012.
Reinert, Kirsten: Frauen- und Sexualreform 1897-1933.,Centaurus Verlag, Herbolzheim 2000.

Schlingmann, Sabine: „Die Woche“- Illustrierte im Zeichen emanzipatorischen Aufbruchs. Frauenbild, Kultur- und Rollenmuster in Kaiserzeit, Republik und Diktatur (1899 bis 1944)., Verlag Dr. Kovac (Gender Studies. Interdisziplinäre Schriftenreihe zur Geschlechterforschung, 7), Hamburg 2007.

Soden, von Kristine: Die Sexualberatungsstellen der Weimarer Republik 1919-1933.
Edition Hentrich (Stätten der Geschichte Berlins, 18), Berlin 1988.

Stölken, Ilona: „Komm, laß uns den Geburtenrückgang pflegen!”. Die neue Sexualmoral in der Weimarer Republik., In: Bagel-Bohlan, Anja; Salewski, Michael (Hrsg.): Sexualmoral und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert., Leske und Budrich, Opladen 1990, S. 83-107.

Usborne, Cornelie: Frauenkörper – Volkskörper. Geburtenkontrolle und Bevölkerungspolitik in der Weimarer Republik., Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1994.

Anfang letzter Woche fand im Kulturzentrum in Rathenow die Herbsttagung des Museumsverbands des Landes Brandenburg e. V. statt. Thema der Tagung war „DDR-Geschichte im Museum – neue Fragen, neue Ansätze“. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich mir diese beiden Tage frei machen konnte, um nicht nur einer Leidenschaft (die sich aus der Freude an Kunst und Geschichte und eben auch aus deren Vermittlung speist) zu frönen, sondern auch meinen Horizont auf einem Gebiet zu erweitern, dass nicht mein Fachgebiet ist – denn ich habe noch nie in einem direkt musealen Kontext gewirkt und DDR-Geschichte ist auch nicht gerade ein Steckenpferd meinerseits. Viele sehr unterschiedliche Institutionen und Projekte hatten im Rahmen der Tagung Gelegenheit, sich und ihre Arbeit vorzustellen und so habe ich vor allem eines mitgenommen: Vorfreude darauf, bald wieder einmal ein Museum zu besuchen – gern auch eines, dass ich noch gar nicht kenne und das mich vielleicht aus meiner persönlichen Wohlfühlzone holt!
Einige der aufgeworfenen Themen hatten durchaus Potenzial zur kontroversen Betrachtung und haben nachdenklich gestimmt. Die schwierige Situation der Museen in Polen kam zur Sprache, denn natürlich bewegen sich Museen als Bildungsträger und Wissensvermittler immer auch in Beziehung zu den Staaten in welchen sie sich befinden, sind abhängig von deren Werten und Denkmustern. Können und sollen Museen neutral sein, unabhängig von den Ideologien in ihrer Umgebung, aber auch von den persönlichen Werten ihrer Kuratoren, wurde mehrmals gefragt. Wie umgehen mit Werten und Wertungen?
Ein anderes spannendes Thema war die nach wie vor große Verflechtung der jüngeren Geschichte (DDR-Geschichte) mit den aktuellen politischen und persönlichen Lebenswelten, in welchen wir uns bewegen. Die Zeit bis 1990 ist eben noch lange nicht aufgearbeitet – viele wissen dies sehr gut aus ihrem persönlichen Leben – und auch Museen müssen damit besonders umgehen. Sie merken dies nicht zuletzt an den Reaktionen ihrer Besucher, die wohl oft genug so kontrovers sind, wie sonst kaum bei einem historischen Thema.
Was machen wir daraus? Weiter fragen, weiter schauen, diskutieren. Museen sind auch Verhandlungsräume, Ideen- und Gedankenschmieden, in denen Deutungshoheiten und Werte infrage gestellt werden können, besprochen und erarbeitet werden müssen. Immer wieder.
Es sollte nur niemand glauben, am Eingang eines Museums könne man getrost seinen kritischen Kopf abgeben und bekäme reine Wahrheit serviert. Dann fängt es an, Spaß zu machen!
Ich bin dann mal Museum.