Dürfen wir vorstellen? Antje Rother

Dürfen wir vorstellen? Antje Rother

Drei Jahre nach der Gründung des Eichhörnchenverlags ist es an der Zeit, euch endlich einmal die Person vorzustellen, die bei uns dafür verantwortlich ist, dass aus guten Bilderbuchinhalten auch wirklich gute Bücher werden.

Haben Autor*innen und Künstler*innen ihre Arbeit getan, sind Texte und Bilder fertig, steckt das Buch selbst trotzdem noch lange in seinen Kinderschuhen.

Antje Rother

Das zum Inhalt passende Material will gefunden, ein stimmiges Format entschieden werden. Manche Bilder haben reproduktionsbedingte Fehler, die ausgeglichen werden müssen, Schriften müssen gefunden, Satz und Layout konzipiert und umgesetzt werden. All dies tut im Eichhörnchenverlag federführend Antje Rother.

Wir sind es gewohnt, unter den Urheber*innen eines Buches nach deren Autor*innen, Künstler*innen und Illustrator*innen zu fragen, dabei ist der Anteil der Grafiker*innen am Buchobjekt ebenso maßgeblich für dessen Anmutung und Erfolg. Ihr Können rückt alles andere erst in das richtige Licht, ihr Können entscheidet, ob wir im Buchladen Lust bekommen, ein bestimmtes Buch in die Hand zu nehmen, ihr Können gibt unabhängig von der Qualität des Inhalts eines Buches den Ausschlag darüber, ob ein Buch selbst gut ist, oder nicht.

Mit Antje Rother hat der Eichhörnchenverlag von Anfang an eine herausragende Grafikerin im Team. Fünf Bilderbücher, zwei Bilderadventskalender, diverse Postkarten und nicht zuletzt unser Verlagslogo, welches ebenfalls ihre Kreation ist und von welchem hier und hier schon einmal berichtet wurde, zeugen davon. Dass sie nicht nur meisterlich versteht, den Arbeiten anderer einen passenden Rahmen zu geben, sondern auch selbst ein vorzügliche und im besten Sinne eigensinnige Künstlerin ist, wissen all jene, die sie ein klein wenig persönlich kennen und können alle erahnen, die schon einmal das Buch KLEINE VOGEL-WUNDERKAMMER – BEGLEITBUCH MIT NAMEN in der Hand hatten, dessen Grafiken sämtlich von ihr stammen.

Wir erwarten in den nächsten drei Jahren noch viel Spannendes und Schönes von Antje Rother zu sehen und wir freuen uns schon darauf!

In dieser Woche war Antje Rother bei uns im Haus, um im direkten Dialog das Layout für die Landtiere zu entwickeln.
Im Sinne der Veranschaulichung und (haptischen) Begreifbarkeit wurde geschnitten, gelegt und geklebt. Ein Dummy entstand, der zwar noch nicht im eigentlichen Sinne schön, aber nichtsdestotrotz wegweisend ist.
Immer wieder kamen während des Prozesses verschiedene Fragen auf. Steht die Reihenfolge der Bilder unverrückbar fest? Können gelegentlich zusätzliche Zeilenumbrüche in die Verse eingefügt werden, um ihre Lesbarkeit, ihre Erfassbarkeit für das Auge zu verbessern, oder zerstört das die Poesie? Wie groß genau soll das Buch werden und was ist eigentlich der genaue Unterschied bei der Bindung eines Pappebuchs gegenüber der Bindung eines Papierbuches? Solche Fragen sofort und persönlich und zuweilen in größerer Runde besprechen zu können und nicht wie bisher auf das Telefon, E-Mail und WhatsApp zurückgreifen zu müssen, war ausgesprochen angenehm, fruchtbar und auch schneller. Außerdem war es hilfreich, die Originale betrachten zu können und so wurden Konzeptideen mit technischem Wissen und vielen unterschiedlichen Erfahrungen in Bezug auf die Wahrnehmung und Rezeption von Bildern und Texten verbunden. Viele Gedanken konnten so geprüft und bestätigt werden, manche wurden auch verworfen und ersetzt. Am Ende steht nun ein Musterbuch vor uns, dass Bildern und Texten gleichermaßen Platz in Form ganzer Seiten einräumt. Gedanken in der Richtung, die Texte „unauffällig“ in die Bilder zu integrieren oder Textseiten mit Bildfragmenten „zu schmücken“ haben wir leichten Herzens verworfen. So können beide Elemente ihre ganze Energie entfalten. Der Idee Kunst, die keine Illustration sondern eigenständiges Werk ist, in Bücher zu bringen, bleiben wir treu. Auch haben wir uns leicht auf eine einfache und schnörkellose Schrift (welche allerdings auch nicht genau die auf dem Dummy sein wird) verständigt, die die sprachliche Klarheit der Texte wiedergibt.

Gemeinsam mit Katharina Schulze sowie zuweilen unseren Kindern, Partnern und Freunden, waren wir zu vielen und haben unsere Arbeit dort gemacht, wo sie letztendlich ihre Früchte hintragen soll, nämlich mitten im (Familien-)Leben. Diese Form der dichten Zusammenarbeit erfordert viel Rücksichtnahme und Koordination von allen Beteiligten. Gleichzeitig ist es schön, die gegenseitige Befähigung und den daraus entstehenden Halt zu erfahren und für die Menschen, die uns die Wichtigsten sind, im Zweifel da sein zu können. Auch das gehört zum Eichhörnchenverlag, eine Arbeit zu machen, die schön und befriedigend ist und die uns wichtig erscheint, ohne dabei die Menschen zu vergessen, die wir lieben. Das Feedback, das uns unsere Kinder gelegentlich mitten im Arbeitsprozess geben, ist sogar oft ein besonders wertvolles, denn sie geben es direkt und ungefiltert an uns weiter und immerhin soll das Buch letztendlich vor allem ihnen gefallen und ihre Sprache sprechen.
Rundum zufrieden gehen wir nun entspannt in das Wochenende und wünschen euch allen ein fröhliches selbiges!

In der nächsten Woche schreibt an dieser Stelle wiederum Katharina Schulze und wird über textile Kunst im Allgemeinen und von ihren Eindrücken von der Textile Art Berlin (24. – 25. Juni 2017) im Besonderen berichten. Es wird sicher spannend!

Warum also ist das Eichhörnchen im Logo des Eichhörnchenverlags blind? Warum trägt es eine Augenbinde?
Ich versprach euch im Beitrag vom 31. März, diese Frage zu einem späteren Zeitpunkt zu beantworten.
Wie das so ist mit Vorbildern und Modellen, auch sie sind nicht makellos und glatt gebügelt – Gott sei Dank, denn so bleiben sie Individuen! – und so könnte hier nun ein blindes Eichhörnchen Modell gestanden haben…
Es steckt aber noch etwas mehr dahinter. Eine geschätzte Kunsthistorikerin und liebe Freundin gab noch vor der (offiziellen) Gründung des Verlags den Rat, die Blindheit des Eichhörnchens unbedingt auch im Logo abzubilden. Recht hatte sie, denn in der Verbindung mit einem BILDERbuchverlag wird das Attribut Augenbinde und die dadurch symbolisierte Blindheit zu einer Betonung des Sehens selbst. Die Vorstellung vom Verzicht auf die visuelle Wahrnehmung soll den Betrachter anregen, über die Bedeutung des Sehens und sensueller Erfahrung im Allgemeinen zu reflektieren.


Die Augenbinde als solche ist ein Objekt, dass vielfältig bei verschiedenen Spielen zum Einsatz kommt. Zum Beispiel bei unterschiedlichen Varianten des Blinde-Kuh-Spiels oder beim Topfschlagen. Sie steht uns daher stellvertretend für kindliches Spiel und Entdeckerlust.
Überhaupt ist die Augenbinde auch (bild-)geschichtlich betrachtet ein starkes und durchaus positiv besetztes Symbol. Man denke zum Beispiel an Darstellungen der Justitia. Ihre Augenbinde soll ihre vorurteilsfreie, ohne Ansehen der Person geschehende Rechtsprechung anzeigen. Eine vorurteilsfreie Begegnung also, die auch jedem Kind zu wünschen ist.
Zu guter Letzt ist der Akt der Abnahme einer Augenbinde auch ein Akt der Befreiung, Bestandteil eines Prozesses des Entdeckens, Erkennens und Erkenntnisgewinns. Unsere Bücher sollen Kindern und Erwachsenen helfen, sich Räume zu schaffen, in welchen sie achtsam und liebevoll Zeit miteinander verbringen können, in welchen sie in den Bildern und Geschichten gemeinsam abtauchen oder über sie in Kommunikation kommen können. All das hilft uns letztendlich, sehenden Auges und zugewandt in das Leben und durch das Leben zu gehen.
Für die symbolische und zeremonielle Kraft des Abnehmens einer Augenbinde oder eines anderen sichtraubenden Stoffes finden sich übrigens auch Beispiele in Kunst und Geschichte.
Am südlichen Eingang zum Park Sanssouci in Potsdam etwa sitzen zwei Sphingen mit auf ihnen spielenden Putti. Links (bzw. bei der westlichen Figurengruppe) trägt einer der Putti noch einen Schleier über dem Gesicht, der ihm rechts (bzw. bei der östlichen Figurengruppe) abgenommen wurde. Die Sphinx greift ihm in das Haar und dreht seinen Kopf (dem Licht entgegen?). Auch ihr Gesicht wird von dem zweiten Putto in die gleiche Richtung geführt. Die beiden von Georg Franz Ebenhech in der 1. Hälfte des 18. Jhdts. geschaffenen Skulpturen sind eigentlich als Narration in zeitlicher Abfolge zu lesen. Betrachtet man sie also nacheinander – zuerst die linke und dann die rechte – wird deutlich, dass es sich hier ebenfalls um die Darstellung eines Erkennens- und Erkenntnisprozesses handelt, auch wenn dieser gewaltsam herbeigeführt wird. Das kindliche Spiel der Putti wird hier als blind und unbedarft dargestellt und durch Zwang unterbrochen. Wir werden daran erinnert, dass Erkennen manchmal auch ein schmerzhafter Weg ist und Erkenntnis ein verletzendes Ziel sein kann. Adrian von Buttlar und Marcus Köhler, die sich einer zusammenhängenden ikonologischen Deutung des Parks Sanssouci angenommen haben, interpretieren die Skulpturen als Darstellung eines freimaurerischen Initiationsritus.


Auch wenn die starke Fokussierung der Interpretation Buttlars und Köhlers auf Freimaurersymbolik im Park Sanssouci mitunter hinterfragt werden kann, sei ihre Publikation „Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci. Ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen“ an dieser Stelle zur Lektüre und besonders als Begleiter bei einem sommerlichen Besuch im schönen Park Sanssouci in Potsdam empfohlen. Es lässt sich einiges entdecken!

Buttler, Adrian von; Köhler, Marcus: Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci. Ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen. Ostfildern 2012.
(Zu den Sphingen: ebd., Seite 17 und folgende.)
erschienen im Hatje Cantz Verlag

 

Hier noch ein Link zu einer Pressemitteilung der SPSG und einer anderen Interpretation der beiden Sphingen als Darstellungen von Tag und Nacht.