WINDKIND – Neuerscheinung im Herbst 2020

WINDKIND – Neuerscheinung im Herbst 2020

Im Herbst 2020 erwarten euch zwei Neuerscheinungen aus im Eichhörnchenverlag! Beide könnt ihr ab sofort vorbestellen! 🙂 Eine davon wird KLEINER LÖWE WILLIAM von Karoline E. Löffler sein. Dieses fein humorig, nonverbale Bilderbuch stelle ich euch in der kommenden Woche vor. Heute lassen wir es uns mit dem WINDKIND um die Nase wehen. WINDKIND wird unser erstes Bilderbuch mit Elisa Brückner und unser zweites Bilderbuch mit Gerd Knappe. Eine Reise mit der schönsten Naturgewalt in Collagen und Lyrik.

Wind im Haar. Das ist auch der Wind, der unter die Flügel der Gedanken schlüpft. Wind der trägt. Wind, der Unbekanntes verheißt und altes frisch aufwallen lässt. Wind.

Wind umspielt uns mit Herbstblättertänzen und begleitet uns, wenn wir durch das gefallene Laub rascheln. Wind lässt unseren Drachen so hoch steigen, dass er fast schon ganz fern ist. Ein Wunder, dass die dünne Schnur ihn hält. Wind lässt uns die Nasen frieren und die Augen tränen, aber er macht uns auch schnell und so stark wie nie zuvor, wenn er nur etwas von hinten schiebt.

Kennt ihr das?

Vom Wind können wir alle erzählen. Von seinen Tücken und auch von seiner beflügelnden Kraft. Aber manche von uns haben eine ganz besonders inspirierte Beziehung zu dieser Naturkraft, die wir Wind nennen. Einen besonderen Blick für dieses Unsichtbare, eine fantastische liebevolle Verbindung zu seinem Spiel. Zu diesen Menschen gehört Elisa Brückner.

Alle Bilder Elisa Brückners tragen etwas Wind in sich. In der Collagenserie zum Bilderbuch WINDKIND hat sie nun den Wind zum Hauptdarsteller gemacht. Stellvertretend für alle Kinderherzen nimmt er das Windkind mit auf seine Reise. Eine Bilderreise halb schon selbst gefühlt und erlebt, halb imaginiert. Kraftvoll, sanft, etwas verspielt und von Freiheit flüsternd ist der Wind, der aus diesen Bildern spricht, das Windkind ist bei ihm geborgen. Der imaginierte Teil dieser Bilder liegt in ihrem Erkunden der Räume zwischen Himmel und Erde, dem Anrühren der Begegnung von Himmel und Meer. Der Teil, den wir alle kennen und dessen Erleben wir mit unseren Kindern teilen, liegt in den dargestellten Spielen. Der Blick aus dem Fenster auf das bunte und manchmal nasse, manchmal auch gefährlich stürmische Treiben vor der Tür. Das Fliegen lassen des Drachen, das Rascheln mit den Füßen im Laub, das Haschen nach wirbelnden Blättern und das Sammeln der schönsten unter ihnen. Das Sich-fühlen im Wind. Jedes Kind breitet irgendwann einmal die Arme aus im Wind und tanzt seinen ganz eigenen Windtanz. Manchmal wild und manchmal ganz leise…

“[…] einem Adler Engel gleich […]”

Collage aus der Serie WINDKIND (c) von Elisa Brückner.

Unser Pappebuch WINDKIND ist ein Bilderbuch und gleichzeitig ein Lyrikbuch.

Gerd Knappe hat das Gedicht EIN DRACHE IM WIND EIN KIND geschrieben, das uns Hand in Hand mit Elisa Brückners Bildern durch den Wind führt. Die Zeilen beschreiben uns, die eigentümlichen Muster, in welchen der Wind und bewegt und um uns weht.

Der Wind in den Worten lässt uns “[…] Fallen im Wind | Oben bleiben […]” und schenkt uns dieses schaurig-schöne Kribbeln in der Magengrube, dass es nur am höchsten Punkt einer Schaukel gibt und wenn das Flugzeug durch ein kleines “Luftloch” fliegt oder eben, wenn das Boot vom Wellenkamm herabsaust. Der Wind in den Worten lässt uns “aufsteigen” und “gleiten”, lässt uns “kreisen”, drehen” und “Haken schlagen” und wenn wir uns ausgetobt haben, die ganze Lust am Wilden ausprobiert haben, dann lässt er uns ausruhen und zu uns kommen und hält uns geborgen, wie in den Armen eines lieben Menschen.

“Schwerelos aufgehoben | Einem Adler Engel gleich”

Collage aus der Serie WINDKIND (c) von Elisa Brückner.

Der Wind, den Gerd Knappe in seinen Worten findet, ist wild und rastlos, aber auch sanftmütig, ein freundlicher Trickster und er ist facettenreich. Zu vielschichtig für nur ein Gedicht. Deshalb ist EIN DRACHE IM WIND EIN KIND nur eines von vier Gedichten, die der Autor unter dem Titel “WILDER WINDIG – 4 Arten vom Wind zu schreiben” versammelt. Jeder dieser Texte beschreibt ein anderes Moment des Winderlebens. Jeder ist ein Teil eines größeren Bildes. Wir haben uns daher überlegt, diese Texte als den lyrischen Komplex, der sie sind, vereint zu lassen und als einen eigenständigen Lyrikband in den zweiten Teil des Bilderbuch WINDKIND einzubinden. Auf diese Weise entsteht eine wahrhaft fabelhafte Chimäre aus Kinder-Bilderbuch, Lyrik- und Kunstbuch und wir sind sehr gespannt darauf, wie es euch gefallen wird! Ich selbst bin begeistert und voll der Vorfreude auf dieses Buch, das abseits vorgedachter Bahnen und Konventionen neue Wege auf der Suche nach der idealen Verbindung von Form und Inhalt gehen wird und selbstverständlich aufzeigt, für wen wir im Eichhörnchenverlag eigentlich Bücher machen. Nicht nur für Kinder und schon gar nicht nur für Erwachsene, sondern für alle Menschen – die ganz jungen und die ganz alten und alle dazwischen!

An diesem schönen Sommertag heute freuen wir uns also auf den Herbst, denn wenn der Sommer geht, dann sind wir vorbereitet. Bei uns tragen wir den Wind, unseren einzig unverzichtbaren Freund an allen Herbsttagen!

Das Bilderbuch WINDKIND von Elisa Brückner und Gerd Knappe kann jetzt vorbestellt werden! Hier auf unserer Website und überall im Buchhandel.

Im KunstSalon von Susanne Haun wurde ich letzte Woche gefragt, was wichtiger sei im Landtierebuch, die Texte oder die Bilder. Die fragende Gästin fühlte sich offenbar selbst besonders in der Musik zu Hause und so kamen wir schnell darauf, dass es solche Rangfragen und Wettstreite zwischen allen Künsten immer wieder zu geben scheint. In der Kunstgeschichte ist da besonders der, schon in antiker Literatur (Historia naturalis von Plinius d. Ä.) behandelte und in der frühen Neuzeit weiter kultivierte, Paragone der Schlüsselbegriff für einen Wett- oder Rangstreit zwischen den Künsten, in Bezug auf das Verhältnis der bildenden Künste untereinander – besonders der Malerei und Bildhauerei – und auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen den bildenden Künsten und den artes liberales. Ich kann hierzu nur immer wieder die wunderbare Wagenbachübersetzung der Proemien der Vite Giorgio Vasaris* empfehlen. In Bezug auf den Paragone zwischen der Malerei, Bildhauerei und Architektur zieht Vasari den versöhnlichen Schluss, dass alle drei den gleichen Vater, nämlich den Disegno zur Wurzel hätten und daher auch gleichwertig seien.
Ich habe die Vite Vasaris schon während meines Abiturs gelesen und vielleicht haben sie mich geprägt, denn ich vertrete grundsätzlich einen ähnlich egalitären Standpunkt in Bezug auf alle Kunstformen, wie Vasari ihn mit seinem Disegno-Begriff für die drei bildenden Künste (Malerei, Bildhauerei und Architektur) schafft. Ich glaube nicht, dass irgendeine Kunstform mehr wert oder wichtiger sei als eine andere. Ich weiß aber auch, dass ich persönlich zu einigen Formen leichter Zugang finde, als zu anderen. So fällt es mir zum Beispiel leichter über Susanne Hauns Bilder nachzudenken und auch zu schreiben als über Gerd Knappes Texte. Manchmal fehlen mir auch schlicht die passenden Begriffe, um meine Gedanken in Bezug auf bestimmte Texte präzise auszudrücken. Auf diesem Blog aber entsteht so ein Ungleichgewicht, dem ich mit der neuen Rubrik Zeit für Zeilen ein Gegengewicht geben möchte. Hier werde ich besondere Texte und Textpassagen aus dem Hause Eichhörnchenverlag und anderswo vorstellen und auch einige meiner Gedanken zu diesen formulieren. Den Anfang macht natürlich ein Text von Gerd Knappe, genauer die vorletzte Zeile aus dem Bilderbuch Landtiere.

Kann man nicht zwingen

„Kann man nicht zwingen“ ist der vorletzte Satz auf der letzten Seite des Bilderbuchs Landtiere. Der ganzen Strophe auf dieser Seite ist nebenstehend das Bild eines Pferdes sowie zweier Menschen/Bauersleute zugeordnet.

Der vollständige Textentwurf Gerd Knappes zum Thema Pferd umfasste ursprünglich vier Strophen von je vier bis sechzehn Versen Länge. Gekürzt wurde in Absprache mit dem Autor, um den textlichen Umfang der Landtiere so zu gestalten, dass er auch für Babys und Kleinkinder voll erfahrbar und erinnerbar bleibt.

Einen lyrischen Text zu kürzen ist keine leichte und auch keine sehr angenehme Aufgabe. Sie beinhaltet auch immer eine Frage nach Deutungshoheit. Ist der Autor/Künstler Herr über sein Werk? Wessen Aufgabe ist es zu interpretieren, zu präsentieren und zu vermitteln? Was und wie gekürzt wird, folgt dann auch vielen verschiedenen Kriterien, die hier nicht alle ausgebreitet, aber doch kurz erwähnt werden sollen.

“Pferd” 2. Strophe (c) Gerd Knappe. Landtiere. 2017, S. 19.

Ein Vers, dessen Kürzung bzw. Streichung nie zur Debatte stand, war „Kann man nicht zwingen“. Er gibt einer persönlichen Überzeugung Ausdruck, nach welcher die Grundlage jeden Miteinanders der achtsame Umgang miteinander sein sollte, nach welcher die Akzeptanz der Andersartigkeit eines Gegenübers die Basis jedes Gesprächs ist und nach welcher im Zweifel auch ausgehalten werden muss, wenn einmal kein Konsens, keine Einigung erzielt werden kann. Achtsamkeit, wie sie hier beschrieben ist, ist auch Teil dessen, was bei einer Vorlesesituation mit Kindern entstehen kann. Unter anderem deshalb ist der genannte Vers ein Höhepunkt des Buches.
Er ist aber auch, wenn man eher auf der sprachstrukturellen Ebene schaut, der entscheidende Wendepunkt des Gedichts und besonders dieser Strophe. Bis dahin sind die Verse der Strophe nach dem wiederkehrenden Schema

„Kann man“ + Aktion

aufgebaut. Das Pferd ist dabei stets passiv. Etwas wird mit ihm getan, wodurch es gleichzeitig eine Anzahl an Attributen erhält und definiert wird (z. B. reitbar). Dem gegenüber gibt es ein nicht näher beschriebenes (menschliches) Pendant als aktiven Part (Akteur). Mit dem fünften Vers der Strophe sehe ich das Schema langsam aufbrechen. „Seine Freude an etwas haben“ das kann man auch aus der Ferne und sogar unbemerkt, zum Beispiel als stiller Beobachter. Es ist nicht zwingend ein Eingriff in die Freiheit des Pferdes. Der auch strukturell wunderschöne Vers 6 (Kann man wenn man kann) führt darauf den ersten deutlichen Zweifel an der, durch die stete Wiederholung des „Kann man“ postulierten, Potenz des Akteurs ein, aber erst Vers 7 bricht sie vollständig auf. Das bisher verfolgte Schema

„Kann man“ + Aktion

wird von einer Negation gebrochen, die zum Dreh- und Angelpunkt des ganzen Gedichts wird und auch erst den Weg zum versöhnlichen Vers 8, dem Abschlussvers ebnet.

Kann man nicht zwingen
„Kann man“ + Negation + Aktion

Der letzte Vers des Gedichts wechselt darauf konsequenterweise die Perspektive und beschreibt das Wesen des Pferdes wieder vom Pferd her und nicht aus einer Außenperspektive heraus. Damit schließt er auch den Bogen zur ersten Strophe (Die auf der vorangehenden Seite bei einem anderen Pferdebild steht und dem*der Leser*in folglich eigentlich bereits bekannt ist.), welche ebenfalls auf „zum Laufen geboren“ endet und vollständig der pferdenahen Perspektive folgt.
Zwischen den Versen 6 und 7 gab es ursprünglich übrigens noch einen anderen Vers:

„Kann man wenn man kann
[Kann man schlachten]
Kann man nicht zwingen“

Ich finde, auch in diesem Vers liegt viel Wahrheit. Man kann ihn gut auf die gelegentliche Unmöglichkeit Konflikte aufzulösen beziehen, die sich in manchen Begegnungen und Beziehungen ergeben kann. Auch ist er ein sehr deutliches Signal für die dramatische Zuspitzung, die sich in diesem Abschnitt des Gedichts ereignet, um gleich darauf aufgelöst zu werden. Es liegt aber offenkundig auch viel Brutalität darin. Vielleicht ist der*die ein oder andere ganz froh, die Gute-Nacht-Geschichte nicht mit einer Erklärung des Wortes “schlachten” abschließen zu müssen?

Zum Abschluss noch dies: Meine kleine Testhörerin hat sehr schnell gespürt, dass es mit dem Satz „Kann man nicht zwingen“ eine besondere Bewandtnis hat und dass er sich eben nicht allein auf das Pferd, sondern auch auf sie bezieht. „Man kann mich nicht zwingen!“ darf von mir aus gern bei ihr hängen bleiben. Jedoch, natürlich stimmt das nicht. Eigentlich heißt es „Man darf mich nicht zwingen!“. Die Macht zum Zwang haben wir Erwachsenen nämlich doch über unsere Kinder. Es ist gut, wenn uns ein Bilderbuch gelegentlich daran erinnert, dass es eine Macht ist, die uns vor allem dann stärkt, wenn wir sie nicht gebrauchen.

 

*Vasari, Giorgio: Kunstgeschichte und Kunsttheorie. Eine Einführung in die Lebensbeschreibungen berühmter Künstler. Neu übersetzt und kommentiert. Verlag Klaus Wagenbach. Berlin 2004.

 

Das geschriebene Wort gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Grundpfeilern unserer Zivilisation. Schreiben dient der Kommunikation über Distanzen und Zeit, von innen nach außen, von Mensch zu Mensch. Es ist ein Prozess mit einem vielfältig rückwirkenden Produkt. Das geschriebene Wort nimmt Wirkung auf seinen Autor ebenso wie auf seinen Leser und es hat Macht.
Geschriebenes ist unerhört verschieden im Großen wie im Kleinen und im ganz Kleinen.
Zu einem der Zweige schriftlichen Schaffens gehört die Poesie, welche selbst wiederum vielfältig, wandelbar und wohl nie auserzählt ist; welche Gedankenräume weitet und oft genug Grenzen zu übertreten vermag.
Einen Einblick in die Welt der Poesie und auch eine Feier derselben gibt vom 16.6. bis 24.6.2017 das 18. Poesiefestival Berlin. Sehen wir uns?

 

Ich hatte es in der letzten Woche schon  angedeutet und freue mich nun um so mehr, euch mitteilen zu können, dass die Landtiere nicht nur ihren Autor, sondern auch die zu ihnen passenden Worte gefunden haben!
Gerd Knappe hat sich der Aufgabe angenommen und sie so formschön, klar und Freude machend gelöst, wie man es sich überhaupt nur wünschen kann!
Ungewöhnlich, aber konsequent habe ich seine Herangehensweise zuvor genannt und das ist treffend, denn Gerd Knappe hat sich Susanne Hauns Bilder nicht angesehen, bevor er schrieb. Keine Illustrationen sollten seine Worte werden, sondern für sich stehen und damit hat er genau in den Kern des Eichhörnchenverlags getroffen, der das für sich stehende und immer auch ohne Begleitung und Erläuterung erzählende Werk (in Bild und Wort) zu einem seiner zentralen Interessen gemacht hat.
Gerd Knappe schreibt unter anderem Lyrik und Dramatik für Kinder und Jugendliche und ist für seine Arbeit mehrmals ausgezeichnet worden. Sein Blick ist  immer klar und aufmerksam. Seine Sprache ist präzise und schnörkellos, manchmal onomatopoetisch, rhythmisch und immer treffend. Ein Bild folgt auf das andere: sehen, zulassen, beschreiben ohne zu werten; erzählen ohne zu verurteilen.
Manchmal fällt sein Blick auf die Wunden, auf den Schmerz. Dann sind die Worte hart und schwer auszuhalten aber immer sind sie gut.
Die Sprache, die er für die Landtiere gefunden hat, ist perfekt! Eine erste Kostprobe könnt ihr hier nun lesen.

Es folgt:
KUH
von Gerd Knappe für Landtiere

 

Tag für Tag stellt der Bauernjunge am Morgen seine nackten Füße in die warmen Kuhfladen der Kühe, die er hütet, damit sie nicht frieren.

Kuh. (c) Collage von Susanne Haun

Auf dem Gras grast sie
Im Stall futtert sie
Wasser trinkt sie
Milch gibt sie
Liter um Liter
Kuh für Kuh

Kuh und Fliege (c) Collage von Susanne Haun

Macht nicht meck
Wie eine Ziege
Bellt nicht wie ein Hund
Rennt nicht weg
Wie ein Pferd
Kräht nicht wie ein Hahn
Macht muh
Wie eine Kuh
Und als Kälbchen
Macht es schleck …